Bezahlung in der KFZ Branche, Bezahlung KFZ-Mechatroniker

Von Rezepten über das (Weltraum-) Wetter und Fernsehtipps bis zur NSA.
Antworten
Benutzeravatar
takko
Moderator
Beiträge: 2771
Registriert: So 24. Aug 2014, 17:03
Betriebssystem: Windows 10 Pro, Linux Mint
Virenscanner: Emsisoft Anti-Malware

Bezahlung in der KFZ Branche, Bezahlung KFZ-Mechatroniker

Beitrag von takko »

Eine Meinung aus meiner Sicht:

Ich habe heute bei YouTube zufällig ein Video von KFZ Zimmer gesehen wo er auch die Problematik zum Nachwuchs anspricht. Da ich bei Google grundsätzlich nichts kommentiere oder Like habe ich hier einen Beitrag dazu eröffnet. In den Kommentaren weiter unten sind hierzu schon einige Beiträge hinterlassen worden, und diesen kann auch zustimmen.

Hier das Video: >>> https://www.youtube.com/watch?v=eRXBA1mHVKw

Ich bin jetzt seit 42 Jahren in diesem Beruf tätig und muss sagen, dass das Schrauben von Jahr zu Jahr immer schlimmer und stressiger wird. Hier mal meinerseits ein Paar Zeilen Fakten zu meiner Vergangenheit: Ich habe Anfang der 80er Jahre mit 3 Jahren Ausbildung KFZ Mechaniker bei VW / Audi gelernt. Autos reparieren war sehr einfach, zuschauen wie der Geselle das macht, sich auch mal eigene Gedanken dazu machen und dann gings los mit dem schrauben. Einen Reparaturleitfaden brauche man nur wenn es darum ging Motor, Getriebe under Arbeiten am Fahrwerk vorzunehmen, alles ganz easy, der Rest war selbsterklärend. Bezahlt wurde nach TARIF mit Urlaub und Weihnachtsgeld und der Akkordzuschlag ergab sich von ganz alleine ohne Stress! Jeder war zufrieden! Nach ca. 10 Jahren: Der KFZ-Mechaniker war quasi Massenware geworden, wenn er nicht von alleine ging oder wem die Nase nicht passte der wurde rausgeworfen, denn draußen standen Sie ja Schlange, dann wurde eben der Nächste durchgeschleust, der Markt war ja voll. Dieser Zustand hielt sich bis ca. Mitte der 90er Jahre. Klar ist man mal zu Chef gegangen und hat gefragt ob da mal ne Mark mehr drin ist, oft bekam man dann ein nein. Die Bettelei begonnen.

Aber Mitte der 90er Jahre hat es einen Ruck durch diese Branche gegeben. Nach und nach sind aus meiner Umgebung und darüber hinaus fast alle KFZ Unternehmen aus den Tarifen ausgestiegen bzw. haben diese gekündigt und in diesen Zusammenhang wurde dann auch noch das Weihnachtsgeld rechtswidrig gestrichen! Somit wurde jeder Mitarbeiter zum Bittsteller und musste seitdem seinen Lohn mit dem Chef aushandeln. Im Klartext: Bezahlt wurde seit dem nur noch nach Gutsherrenart! Hinzu kam, das seither die Technik rasant an Fahrt aufgenommen hat, so das man ständig auf Weiterbildung musste, die Reparaturumfänge immer Umfangreicher wurden, der Zeitdruck immer mehr zunahm und die Bürokratie immer mehr in den Fokus rückte. Reparaturen sind im Prinzip nur noch mit Reparaturleitfaden zu bewältigen, so Umfangreich ist die Mechanik geworden. Kurzum: der moderne Sklave war geboren. Seit ca. 2010 ist aus meiner Sicht ein zunehmendes Desinteresse zu beobachten eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker zu machen oder Jungmechaniker werfen nach kurzer Zeit das Handtuch und orientieren sich anderweitig. Der erfragte Grund: das Auftragspensum ist in den Vorgabezeiten nicht zu schaffen, Mechanik zu kompliziert und zu verbaut, zu viel unsinnige Nebentätigkeiten wie externe Arbeitsbögen erstellen, fotografische Dokumentation, aufwendige Rüstzeiten, zu hoher Psychischer Druck etc. mit der Folge von Ausfällen von Personal. Und jetzt kommt auch noch die Hochvolttechnik die weitere Qualifikationen erfordern. Und dann kommt auch noch die Verantwortung die auf jedem lastet. Hinzu kommen noch die regelmäßigen Samstagsdienste. Wie bitte schön soll ein Junger Mensch das 50 Jahre lang aushalten!!!

Da wundert sich nun der Gutsherr warum die Leute den Betrieb verlassen, selbst abgebrühte Altgesellen werfen das Handtuch.

Da fällt mir gerade eine Sache ein: "Die kleine Ameise": >>> https://www.youtube.com/watch?v=heP5zl_4lN0

Jetzt haben wir 2023 und jeder wundert sich das es keine Fachkräfte mehr gibt. Die Kluft zwischen Jung und alt ist mittlerweile so groß, das hier die Erfahrung eine Große Lücke aufweist. Junge Mitarbeiter haben keine Qualifizierung um bestimmte Arbeiten durchführen zu dürfen und die Alten müssen sich immer mehr schulen um am Ball zu bleiben, dieses belastet wiederum die Psyche und projiziert Ausfälle. In den letzten 15 Monaten sind min. 20 Mitarbeiter (verschiedene Mitarbeiter im Betrieb) gekommen und wieder gegangen! Warum wohl nur?

Ich für meinen Teil werde niemanden mehr empfehlen das KFZ Handwerk zu erlernen.

1. Auszubildende werden im 1. Lehrjahr als Zuarbeiter missbraucht, als Logistiker für Rädereinlagerung und Putzkolonne der Werkstatt
2. Im 2. Lehrjahr sieht die Situation nur wenig besser aus.
3. Im 3. Lehrjahr wird man nun verstärkt einem Gesellen zugeteilt und soll dann auch schon mal alleine Schrauben und dann ist da auch schon die Gesellenprüfung! Eigentlich ein Wunder, das die Durchfall Quote bei uns so gering ist.
4. Als Junggeselle soll man dann die Vorgabezeiten sofort schaffen. Wie soll das bitte schön gehen?

Ein Junggeselle im ersten Gesellenjahr hat aktuell zwischen 1750€ und 2100€ Brutto bei 174 Stunden, gerade mal Mindestlohn! Ist man dafür Facharbeiter, kann man damit eine Wohnung unterhalten? In der Industrie haben Auszubildende im 1. Lehrjahr schon ca. 1000€ Brutto!

Orientierungshilfe aktuelle Tarife: >>> https://www.igmetall.de/download/2022_0 ... 7d7b9c.pdf

Sobald ich den richtigen Job gefunden habe bin ich auch weg und somit auch die Erfahrung die vermitteln kann. In meinem Fall nicht unbedingt wegen dem Geld, aber wegen dem täglichen Irrsinn, am dem die Hersteller den größten Teil zu verantworten haben, den Rest erledigt das Unternehmen. Synchron gesehen ist das wie im Krankenhaus, in der Pflege und Altenpflege, nur das man dort mittlerweile mehr verdient.

Hier darf gerne darüber Diskutiert werden.
Antworten